ANGELIKA
MESSNER

frei nach J.W. von Goethe

Opferbereitschaft, Sanftmut, Duldsamkeit, Vermittlungsfähigkeit: Mit diesen vor Klischee triefenden Zuordnungen von Weiblichkeit sind Mädchen und Frauen auch heute noch konfrontiert. In der Atridentochter Iphigenie finden diese Stereotype ihre mythologische Verdichtung – vielfach behandelt von meist männlichen Autoren wie Euripides und Goethe. Schon deshalb ist die Figur im Zusammenhang mit aktuellen Diskussionen über Geschlechterrollen, Genderaspekte und Gleichstellung hochmodern. 

Angelika Messner überprüft mit ihrer Neufassung die moralisch so anspruchsvolle Rollenzuweisung der Iphigenie, die frau in innere Nöte bringt. Sie verlegt die klassische Handlung ins Rotlichtmilieu. Iphigenie wurde als Mädchen von ihrem Vater verkauft und landete in einem Bordell. Dort hat sie sich nach zwanzig Jahren zu einer „Mutter Theresa der Nutten“ hochgearbeitet. Ihr Zuhälter Thoas, Chef einer mafiösen Organisation, macht ihr einen Heiratsantrag, den sie ablehnt. Das verletzt ihn in seinem männlichen Stolz. Zur Strafe gibt er ihr den Befehl, zwei Fremde aus ihrer Heimat, die seine Männer aufgegriffen haben, zu töten … 

Der Text bekommt in der gebundenen Sprache des Blankverses eine soghafte Rhythmisierung. Als musikalische Weiterführung kommen verdichtende Sprachgesang-Texte hinzu. Die Themen, die Angelika Messner mit der klassischen Handlung im Heute verhandelt, sind einerseits die Überprüfung der Existenz von echter Humanität in unserer Gegenwart sowie die Rolle der Frau als fremdbestimmtes Wesen. Wie kommen wir diesbezüglich aus unseren vorgegebenen Denk- und Handlungsmustern heraus? Und ist es möglich, im Rahmen dieser Befreiung dennoch menschlich zu agieren?

„Wortgewaltig erwehrt sich Iphigenie all dieser Zuschreibungen und Zumutungen […] ein kluger, stark gespielter Abend, der schon allein wegen Jazz-Tubist Jon Sass, der mit seinem Spiel der Sprache Rhythmus und Strukur gibt, sehens- und hörenswert ist. (Der Standard, 2.12.2022)

„In rasant 70 Minuten ist ihr eine schlüssige, aktuelle Überschreibung gelungen. […] Schau´n Sie sich das an!“ (Die Presse, 2.12.2022)

„Messner ist ein bei aller Tragik auch unterhaltender Abendgelungen, der […] heutige Frauenthemen in ihrer Überhöhung auf den Punkt bringt.“ (APA, 1.12.2022)

Fotos: Anna Stöcher

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